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    Zuletzt aktualisiert: 09.05.2014 um 07:08 UhrKommentare

    Und übrig blieb das kleine Österreich

    Die Donaumonarchie zerbröselte. Noch vor Ende des Krieges. Die ehemaligen Völker der Habsburger begannen, eigene Staaten zu errichten. Und übrig blieb das kleine Österreich.

    Foto © APA/ ORF

    Der lange Krieg hatte alle Krieg führenden Parteien materiell und emotional erschöpft. In Russland hatten die Revolutionen das alte Regime hinweggefegt, das Osmanische Reich war innerlich verfallen. Auch in der Habsburgermonarchie machten sich die zentrifugalen Kräfte breiter. Der letzte Rettungsversuch von Kaiser Karl, der die Freiheit und Selbstständigkeit der Völker des Reiches und die Umwandlung der Habsburgermonarchie in einen demokratischen Bundesstaat vorschlug, kam zu spät. Noch vor dem tatsächlichen Ende des Krieges zerfiel das Reich. Das Völkermanifest des Kaisers hatte das Gegenteil seiner Absicht bewirkt: Es wurde als Signal zur Auflösung des Staates verstanden.

    Am 3. November 1918, um 15 Uhr, unterzeichnete, ermächtigt durch den Kaiser, General von Weber den Waffenstillstand. 24 Stunden später trat er in Kraft. Etwa 300.000 Soldaten der Habsburgermonarchie gerieten in diesen Stunden noch in italienische Kriegsgefangenschaft. Die Flotte hatte sich vor Triest versenkt. Das Reich hatte endgültig zu existieren aufgehört.

    In seinem Bühnenstück "3. November 1918" hat Franz Theodor Czokor eindringlich und realitätsnah diesen Tag nachgezeichnet. In einem Lazarett hinter der Isonzofront, in den Bergen Kärntens, scheidet der Oberst aus Verzweiflung über die Entwicklung freiwillig aus dem Leben. Die anderen Bewohner der Anstalt nehmen am offenen Grab Abschied. Die Offiziere kommen aus allen Teilen der Monarchie. "Erde aus Ungarn", sagt der Ungar bei seinem symbolischen Erdwurf. Es folgen polnische, tschechische und slowenische Erde. Nur der jüdische Regimentsarzt greift zur Schaufel und sagt: "Erde aus Österreich." Für alle anderen gab es schon neue Identitäten. Sie eilten nach Hause und bauten wohl mit an den nationalstaatlichen Nachkriegsordnungen.

    Die Auflösung

    In der Realität war das Reich schon Tage früher zerbrochen. Nachdem das tschechische Exil den amerikanischen Präsidenten Wilson zu einer ausdrücklichen Unterstützung veranlassen konnte, wurde am 28. Oktober 1918 in Prag die Tschechoslowakische Republik ausgerufen. Die Vertreter des alten Gesamtstaates nahmen das ohne Widerspruch zur Kenntnis. Und nur zwei Tage später vollzog auch "Deutsch-Österreich" diesen Schritt. Dabei dauerte der Krieg noch 4 weitere Tage an und Soldaten aller Nationalitäten der Habsburgermonarchie standen noch an der Front. Und auch im Süden der alten Monarchie hatte sich am Tag zwischen den Entscheidungen in Prag und in Wien der Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat) konstituiert, der wenige Wochen später als Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen eine Entscheidung für einen monarchistischen Kurs treffen sollte. Der Gesamtstaat war in den letzten Kriegstagen eine reine Fiktion.

    Wie aber ein Land zerteilen, das sprachlich, ökonomisch, politisch und kulturell so verwoben war? Wo waren die Sprachgrenzen, welche Rolle sollten die alten Kronländergrenzen spielen? Wer konnte Gründe für Gebietsansprüche anführen?

    Es stand außer Frage, dass der SHS-Staat, die Tschechoslowakei und Italien gute Karten hatten. Obwohl Slowenen, Kroaten, Slowaken, Tschechen und sogar Italiener in der Armee der Habsburger gedient hatten, wie auch die Minderheiten der neuen Staaten, die Bosnier, Polen und Galizier, fanden sich diese Menschen in Siegerstaaten wieder. Nur Ungarn war mit ein Verlierer und fand sich wie Österreich in Paris auf der Anklagebank.

    Dem Argument der historischen Grenzen und dem geschlossenen Wirtschaftsraum Böhmen und Mähren hatten die Österreicher drei Millionen Deutsch sprechende Menschen der Region entgegenzusetzen, viele davon aber nicht nur am "Rand", dem Sudetenland, sondern auch in städtischen Sprachinseln. Es lag im Interesse der USA, vor allem aber Frankreichs, dass sich Masaryk und Benes durchsetzten. Der SHS-Staat im Süden gewann, nicht zuletzt durch die dramatischen Vorfälle beim Marburger Blutsonntag, die Untersteiermark. In Kärnten erzwang der bewaffnete Widerstand die Volksabstimmung, wobei auch die Mehrheit der Kärntner Slowenen für die Landeseinheit votierte. Die Karawankengrenze blieb erhalten. Italien,

    dem im Londoner Vertrag große Zugeständnisse gemacht wurden, die die anderen Siegermächte nur bedingt erfüllen konnten, wurde, mit der Brennergrenze entschädigt. Die so entstandene Südtirolproblematik blieb im 20. Jahrhundert ein politischer Dauerbrenner.

    Vorarlberg wollte überhaupt zur reichen, kriegsverschonten Schweiz, konnte aber im Nachbarland kein Gehör finden.

    Nur die Grenze zwischen den Verliererstaaten war weltpolitisch wenig beeinflusst. Die westungarischen Komitate, mit der Ausnahme von Ödenburg/Sopron, das nach einer eher fragwürdigen Volksabstimmung bei Ungarn verblieb, kamen als Burgenland letztendlich zu Österreich.

    Für den Anschluss

    "Österreich, das ist der Rest", sagte Ministerpräsident Clemenceau in Paris. Aber angesichts der Tatsache, dass die neuen österreichischen Grenzen auch im Namen des Selbstbestimmungsrechts gezogen worden waren, wie wollte man da den "Deutsch-Österreichern" den Anschluss an Deutschland verwehren? Die Siegermächte hatten aber nicht Krieg geführt, um den Hauptfeind, Deutschland, mit zusätzlichen sechs Millionen Menschen und einem hoch entwickelten Gebiet zu belohnen. Das Anschlussverbot wurde daher im Versailler Vertrag verankert.

    In Österreich selbst waren die Grundhaltungen klar. Im Gründungsdokument der Republik vom 12. November 1918 hieß es: "Art. I. Deutschösterreich ist eine demokratische Republik. Art. II. Die Republik Deutschösterreich ist ein Bestandteil der deutschen Republik".

    Am 9. November hatte in Berlin der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann die Republik ausgerufen. Österreichs Sozialdemokraten träumten einerseits ihren alten deutschnationalen Traum und hofften zudem, im hoch industrialisierten Deutschland eine noch bessere Massenverankerung zu finden. Das deutschnationale Lager war ohnehin für den Anschluss, bei den christlichen und konservativen Kräften hielten nur wenige den Kleinstaat für überlebensfähig. So erklärt sich die Anschlusseuphorie, die zwei Jahrzehnte später unter ganz anderen Vorzeichen ihre Realisierung fand und Österreich in die Verantwortung für die größte Katastrophe und die grausamsten Taten nicht nur des 20. Jahrhunderts in die Mitverantwortung zwang.

    Erst die Moskauer Deklaration, die 1943 die Wiederherstellung der Unabhängigkeit des Landes unter gewissen Umständen als Option eröffnete, machte schließlich die Grenzen von Saint Germain für Österreich nicht nur lebbar, sondern diese bildeten die Grundlage dafür, dass sich das Land als "erstes Opfer" des Nationalsozialismus inszenieren konnte.


    Zitiert

    Deutschösterreich ist eine demokratische Republik. Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik.

    Bundesverfassung vom 12. 11. 1918

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