Bunkerstimmung beim Runden Tisch in Kiew
Im Osten und Süden der Ukraine herrsche nach Einschätzung des russischen Außenministers Sergej Lawrow bereits "ein echter Krieg, in dem schwere Waffen eingesetzt werden". In der Ukraine ist am Mittwoch erstmals ein Runder Tisch zur Beilegung der Krise abgehalten worden.
Foto © APABrügerkriegsähnliche Zustände in der Ukraine - und keine diplomatische Lösung in Sicht
Es lag wohl nicht nur am Konferenzsaal, dass Mittwoch Bunkerstimmung in der Obersten Rada herrschte: Gemeinsam mit ausgewählten Vertretern der hohen Geistlichkeit und der Zivilgesellschaft hatte sich die politische Elite der Ukraine Landes im Keller des Parlaments getroffen sich in staatstragende Sessel mit dunkelgrünen Lederbezügen gesetzt und Wege zur Rettung der Einheit des Landes erörtert.
Enttäuschung über diesen ersten Runden Tisch war bereits vor Beginn artikuliert worden. Vor dem Parlamentseingang ersuchten zwei Dutzend Demonstranten, die sich als ukrainische Patrioten aus der Ostukraine vorstellten, vergeblich um Einlass. "Die Regierung soll doch jene Menschen zu diesen Gesprächen einladen, die konkret betroffen sind. Menschen, die sich nun verstecken müssen, damit sie nicht umgebracht oder entführt werden", empörte sich einer der Demonstranten. "Krimbewohner erhalten eine Flüchtlingsstatus, für uns gibt es nichts", ergänzte eine Frau.
Im Osten nichts Neues
Das Fehlen der Zivilgesellschaft aus Donezk und Luhansk (Lugank) wurde später auch wiederholt im Parlamentskeller angesprochen. Von gescheiterten Versuchen, verhandlungsbereite Vertreter von separatistisch orientierten Gruppierungen aus der Region einzuladen, erklärte der von Kiew ernannten Donezker Gouverneur Serhij (Sergej) Taruta gegenüber Medienvertretern: Es habe sich niemand gefunden, der die Protestierenden vertritt: "Ohne bevollmächtige Anführer ist es äußerst schwer, in Verhandlungen zu treten", sagte Taruta.
Aber auch von der schwierigen Sicherheitslage in der Region war wiederholt die Rede gewesen. Von einer handfesten Bedrohung für Mitdiskutanten aus der Ostukraine sprach die Rada-Abgeordnete Inna Bohoslowska (Bogoslowskaja). Und ob es wie angedacht möglich sein wird, eine Fortsetzung dieses Runden Tisches in den nächsten Tagen in Donezk selbst zu veranstalten wird von der Möglichkeit ukrainischer Behörden abhängen, insbesondere auch die physische Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten.
Ausnahme
Inhaltlich war in den Monologen und wenigen kurzen Repliken von Moderator und Ex-Präsident Leonid Krawtschuk praktisch nichts Neues zu hören: Sowohl Vertreter der Regierung als auch der Opposition wiederholten ihre altbekannte Positionen.
Lediglich der deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger, der für die OSZE als Ukraine-Vermittler tätig ist, stellte sich freundlich der Runde vor. Konkrete Ansagen tätigte er keine. Dass es Ischinger mit einer äußerst schwierigen Aufgabe zu tun hat, verdeutlichte als einer der ersten Redner gleich Patriarch Filaret von der Ukrainisch-orthodoxen Kirche. Schuld an der aktuellen Situation sei die russische Aggression, sagte er, und man wisse, dass sich diese nun von Donbass auch auf den Süden des Landes ausbreiten soll. "Wenn die Ukraine gefährdet ist - wie ist dann ein Dialog möglich?", erklärte der Patriarch und sorgte nachhaltig für lange Gesichter. "Runder Tisch über den Frieden. Bislang wird nur von Krieg geredet", twitterte Surab Alasania, Direktor des staatlichen Fernsehsenders UT-1, aus dem Saal.
Einfluss veroren
Den Ernst der Lage bekräftigte auch der Donezker Bürgermeister Oleksandr (Aleksandr) Lukjantschenko: Während die lokalen Verwaltungsbehörden versuchten den Alltagsbetrieb aufrecht zu erhalten, so erklärte Lukjantschenko, hätte die ukrainische Regierung jene Hebel verloren, mit denen der Osten gesteuert werden könne.
Nahezu verzweifelt klang auch der Donezker Gouverneur Taruta. Das Gerede davon, dass die Ukraine die Region aufgegeben hätte, müsse ein Ende haben, forderte er. Gleichzeitig formulierte er auch eine ungewöhnliche Bitte an die westliche Staatengemeinschaft: "Der Westen mögen auf russische Medien einwirken, toleranter zu berichten." Wie dies konkret möglich sein soll, sagte er nicht.
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Überblick
Der erste Runde Tisch zur Krisenbewältigung in der Ukraine ist am Mittwoch in Kiew ohne greifbares Ergebnis zu Ende gegangen. Vertreter der prorussischen Separatisten aus dem Osten des Landes waren von vornherein nicht eingeladen. "Wir sind zum Dialog bereit, aber nicht mit Erpressern und Plünderern", verteidigte Übergangspräsident Alexander Turtschinow den Ausschluss der moskautreuen Aktivisten.