In den WM-Städten fahren Panzer auf
Brasilien versinkt vier Wochen vor Beginn der Fußball-WM im Chaos. Nationalcoach Felipe Scolari bangt sogar um die Sicherheit seines Teams.
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Brasilien steigt gegen seine eigene Fußball-WM (12. Juni bis 13. Juli) mit jedem Tag auf höhere Barrikaden. "Copa das Mortes" steht auf Schleifen von Blumenbouquets, die vor Todesanzeigen auf den diversen WM-Baustellen ums Leben gekommener Männer liegen. Und Skelettfiguren, mit großen Totenköpfen und in Nationaltrikots von Brasiliens Fußballern, ziehen durch die Straßen.
Der "Internationale Tag des Kampfes gegen die WM" hat Brasilien im wahrsten Sinn endgültig in Brand gesteckt. In Sao Paulo blockierten 2000 Menschen die Zufahrt zur "Arena Corinthians", wo am 12. Juni das WM-Eröffnungsspiel stattfinden soll. Und sogenannte Landlose haben Müllberge und Autoreifen angezündet, um zwei Autobahn-Knoten zu blockieren.
Armee patrouilliert
In der Küstenstadt Recife, eine der gefährlichsten Städte des Landes, hat ein dreitägiger Polizeistreik das Leben weitgehend lahmgelegt. Geschäfte und Einkaufszentren blieben aus Angst vor Plünderungen geschlossen, ebenso Schulen und die Universität. In den Straßen patrouillieren schwer bewaffnete Soldaten, am Strand sind Panzer aufgefahren. In Recife spielt am 26. Juni Deutschland . . .
Unter dem Motto "Copa do Povo" (WM des Volkes) protestieren Tausende Obdachlose. "Wir wollen den Widerspruch aufzeigen, dass Milliarden für dieses Ereignis ausgegeben werden, während die Menschen dringend Wohnungen brauchen", sagt Maria das Dores Cerqueira. "Schulen und Hospitäler nach FIFA-Standard", plakatieren die streikenden Lehrer in Anspielung auf das neue und moderne WM-Stadion.
Regierung sorglos
Christoph Daum, Deutschlands exzentrischer Trainer, ließ mit einem Interview aufhorchen: "Ich glaube, es wird das erste WM-Turnier sein, das wegen Unruhen unterbrochen werden muss." Und Brasiliens Teamchef Felipe Scolari hat ernsthafte Sicherheitsbedenken rund um die "Selecao", die brasilianische Nationalauswahl, geäußert, nachdem es sogar an der Copacabana zu Unruhen gekommen ist. Dort werden die meisten WM-Touristen absteigen, in unmittelbarer Nähe logieren die Teams aus England und Holland.
Nur Brasiliens Regierung zeigt sich offenbar nach wie vor nicht allzu beunruhigt. "Die Demonstranten nutzen die Situation, um Forderungen zu präsentieren, die legitim sind, aber wenig mit der Fußball-WM zu tun haben", sagt Präsidialamtsminister Gilberto Carvalho. "Die Proteste schrecken uns nicht."