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    Zuletzt aktualisiert: 16.05.2014 um 05:53 UhrKommentare

    Werden Gewalttäter zu milde bestraft?

    Sechs Stunden lang quälten sieben Jugendliche einen 19-Jährigen aufs Äußerste und kamen nun mit bedingten oder teilbedingten Strafen davon - eine Milde, die irritiert.

    Foto © Fotolia, Petair

    Am Sonntag heizte der "Tatort" die Diskussion um milde Strafen für junge Gewalttäter an. Für eine Fortsetzung sorgen jetzt zwei aktuelle Urteile in Österreich.

    Es ist ein außergewöhnlicher Fall, der in der Nacht auf gestern, kurz nach ein Uhr früh, im Linzer Landesgericht ein (vorläufiges) Ende fand. Über sechs der sieben jungen Menschen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren wurden Schuldsprüche verhängt, über deren Höhe nun eine heftige Diskussion entbrannt ist. Vier der Angeklagten kamen mit bedingten Strafen davon, die beiden Haupttäter mit jeweils fünf Monaten unbedingt (nicht rechtskräftig).

    Im Mittelpunkt des Strafverfahrens stand ein Handy-Video, das eine Stunde und 20 Minuten lang dokumentiert, was damals, im Jahr 2010, an Grausamkeiten geschehen ist. Es zeigt, wie sieben Linzer Jugendliche, die einen 19-Jährigen in eine Wohnung gelockt und die Tür versperrt haben, ihr Opfer verspotten, mit Tritten und Schlägen traktieren und ihm ein täuschend echt wirkendes Pistolen-Replikat des Typs Glock an die Schläfe halten. "Sollen wir dich erschlagen oder erschießen oder beides?"

    "Bitte, bringt mich nicht um", fleht das weinende Opfer. Dann wird der Jugendliche am Genick gepackt und zu Boden gedrückt. "Obi mit'm Schädel, Oida!" Daraufhin zieht ein anderer dem Jugendlichen das T-Shirt hoch und drischt mit einem Ledergürtel mehrmals auf den nackten Rücken des Opfers ein. "Bitte, bitte . . .", winselt das Opfer, und seine vom Alkohol enthemmten Peiniger lachen und grölen. Sechs Stunden dauert die Tortur.

    Aus Angst nicht angezeigt

    Dieses vier Jahre alte Video wurde von der Polizei erst im Vorjahr bei einer Hausdurchsuchung entdeckt. Das Opfer selbst hat die Geschehnisse nie angezeigt, aus Angst. Die Angeklagten, fünf Burschen und zwei Mädchen, waren damals 15, 18, 20 bzw. 21 Jahre alt. Das Opfer soll die damalige Freundin des Cliquen-Bosses "ungebührlich berührt" haben, sagte die Staatsanwältin. Grund genug, den Jugendlichen dafür zu "bestrafen". Drei Burschen schlugen zu, die restlichen Jugendlichen lachten, applaudierten, feuerten die Peiniger an. Das Opfer sagte aus, auch "brennheiß und eiskalt abgeduscht" worden zu sein.

    Das ist im Strafrecht Tatbeteiligung an einer besonders qualvollen Freiheitsentziehung, den Angeklagten drohten bis zu fünf Jahre Haft. Alle sind, berichten die "Oberösterreichischen Nachrichten", "echte Österreicher" ohne Migrationshintergrund, ihre Bildungswege reichen über Hauptschule und abgebrochene Lehrberufe nicht hinaus. Zwei verdingen sich als Lagerarbeiter, einer sitzt bereits wegen einer Drogensache im Gefängnis, andere sind in "AMS-Maßnahmen". Beinahe alle haben schon Vorstrafen.

    "Alles scheint wie aus einem schlechten Film", hatte die Staatsanwältin zu Beginn des Schöffenprozesses gesagt. "So eine Verrohung von jungen Leuten sieht man wirklich ganz, ganz selten", betonte der Vorsitzende Walter Eichinger.

    Empörung über Milde

    Umso mehr überrascht das milde Urteil. Viele Internet-Kommentare verweisen darauf, dass ein "einfacher" Supermarktüberfall oft viele Jahre Haft zur Folge habe, eine Gewaltorgie wie diese jedoch nicht. Erst am Tag davor waren in Kärnten drei junge Männer (nicht rechtskräftig) verurteilt worden, die eine 17-Jährige missbraucht und die Tat ebenfalls gefilmt hatten. Die Strafen: bloß vier bis acht Monate unbedingte Haft.

    Werner Zinkl, Präsident der Richtervereinigung (siehe Interview) verweist unabhängig vom konkreten Fall auf die Frage, welche Tatbestände schließlich in einem Verfahren übrig bleiben würden und welche Milderungsgründe anzuwenden seien - das sei in der öffentlichen Wahrnehmung nicht auf einen Blick nachvollziehbar. Da gehe es etwa ganz konkret darum, ob jemand bloß zugeschaut habe oder auch selbst aktiv gewesen sei. Tendenziell, so Zinkl, sehe er eine Zunahme der Gewaltbereitschaft bei jungen Menschen. Und immer öfter seien auch Handy-Aufnahmen von Gewalttaten im Spiel. Zinkl: "Das Schlimme ist ja, dass es welche gibt, die sich so etwas auch anschauen."

    Die Grazer Jugendpsychologin Petra Pölzl meint, dass gerade bei Jugendlichen nicht nur die Strafe an sich, sondern auch Therapiemaßnahmen von Relevanz seien. Dass Taten wie diese auch noch gefilmt und möglicherweise über das Internet verbreitet werden, habe Auswirkungen auf die Dynamik innerhalb einer Gruppe: "Da geht es um Aufmerksamkeit, Macht, Kontrolle." Man könne leichter das Gefühl bekommen, das sei eh in Ordnung. Die Folgen für die Opfer seien hingegen schwerer, weil das Zuhause als "sicherer Ort" nicht mehr funktioniere.

    ANDREAS LIEB

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